Aufbruchsstimmung auf dem Future Campus Nachhaltigkeit – Mehr Klimaprofis für einen zukunftsfähigen Mittelstand

Heilbronn, 05.04.2022 – Die Teilnehmenden wurden vom Intersport-Vorstand Thomas Storck sowie zwei Geschäftsführern des MITTELSTANDSVERBUNDES, Jörg Glaser und Tim Geier begrüßt. Storck erläuterte die strategische Neuausrichtung der Intersport und unterstrich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmensgruppe. Veränderte Kundenerwartungen in Bezug auf eine nachhaltige Ausrichtung von Unternehmen und Produkten hätten vielfältige grundlegende Fragen aufgeworfen. 

Antworten auf diese Fragen gab es im Verlauf der zwei Tage reichlich. Das prall gefüllte Programm, das gemeinsam mit dem Klimaverbund entstand, und die engagierten Beiträge aus der Praxis haben gezeigt: An Handlungsmöglichkeiten mangelt es nicht. Um ein Resümee der zwei Tage vorwegzuschicken: Wenn Nachhaltigkeit nicht nur das Sahnehäubchen einer Marketingstrategie ist, sondern ins Zentrum der Unternehmenskultur gestellt wird, entwickelt sich eine Dynamik, von der alle profitieren – Unternehmen, Mensch und Natur gleichermaßen. Denn das Thema Nachhaltigkeit umfasst bekanntermaßen sowohl Ökonomie, Ökologie als auch Soziales.

Es ist noch kein Klimaprofi vom Himmel gefallen

Weil jedoch niemand als „Klimaprofi“ oder Nachhaltigkeitsspezialist geboren wird, braucht es zuweilen Hilfe bei den ersten Schritten. Wer seine Anschlusshäuser mit diesen Zukunftsthemen nicht allein lassen will, kann Mitarbeitern beispielsweise eine Qualifizierung als „Klimaprofi“ ermöglichen. Ein „Klimaprofi“ in den eigenen Reihen kann die Themen CO2-Minderung, Energie- und Ressourceneffizienz in der Verbundgruppe anschieben, die Gestaltung der weiteren Schritte liegt dann im Handlungsspielraum der einzelnen Unternehmen. Dr. Sabine Schäfer, Projektleiterin Klimaverbund, zeigte sich im Schulterschluss mit Hannah Witting, Trainerin im Schulungsprogramm für die Klimaprofis und Bereichsleiterin der B.A.U.M. Consult GmbH, auf dem Podium in Heilbronn begeistert, welch vielseitige Konzepte in den einzelnen Verbundgruppen im Zusammenhang mit der Klimaprofi-Qualifikation entstanden sind oder durch sie angestoßen wurden. Die Schulung sei die Grundlage, die Umsetzung in der jeweiligen Gruppe entwickele dann ihre eigene Dynamik.

Doch der Reihe nach: Der erste Tag auf dem Future Campus stand für die Klimaprofis ganz unter dem Zeichen der Weiterbildung. Denn Klimaschutz und Energie sind hochdynamische Themen, geprägt durch ständige neue Entwicklungen und Rahmenbedingungen. Deshalb werden die Klimaprofis durch das Projekt Klimaverbund mit regelmäßigen Themen-Updates, oft mit externen Referenten, sowie durch Schulungs-„Refresher“ laufend auf dem neuesten Stand gehalten. Während solche Veranstaltungen bislang größtenteils nur online stattfinden konnten, zeigten sich nun die Vorzüge der Präsenz, insbesondere in den Punkten einer noch besseren Verständlichkeit der Inhalte und der parallel möglichen Vernetzung untereinander zum fachlichen Austausch. Der Fokus der beiden Fachseminare lag auf den Themen „Fördermittel im Klimaschutz“ sowie „Klimafolgenanpassung“. Zunächst begrüßte die Projektleiterin Dr. Schäfer die Klimaprofis mit dem eindringlichen und aufrüttelnden Statement des IPCC-Vorsitzenden aus dem Sachstandsbericht des Weltklimarates vom 4. April: „It‘ s now or never.“ Denn klar ist, „wir sind an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern. Wir haben die Werkzeuge und das Wissen, um die Erwärmung zu begrenzen."

Den Schulungsauftakt gab Martin Sailer von B.A.U.M. Consult mit einem Einblick in die aktuelle Fördermittellandschaft. Denn die ändert sich rasend schnell und wird für die Maßnahmen rund um die Themen der Klimaprofis immer attraktiver. Dabei gilt es, den Überblick über Richtlinien, Bedingungen und Fristen zu behalten. Im zweiten Seminarblock ging es um das Thema Klimafolgenanpassung. Denn neben dem Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels spielen für Unternehmen auch zunehmend Anpassungsstrategien an die Folgen des Klimawandels eine Rolle. Elmar Stevens von B.A.U.M. stellte mit dem „CheckA“ ein betriebliches Konzept zur Klimawandelanpassung vor, um sich mit Risiken wie Überschwemmungen, Hitzebelastung und Sturmschäden proaktiv zu befassen. Mit Lagekarten lassen sich die zukünftigen Klimabedingungen einzelner Regionen bewerten. „So erhält man eine Einschätzung, an welchen Standorten im Jahr 2050 überhaupt noch vernünftig gearbeitet werden kann“, so Stevens. Darüber hinaus können Unternehmen, die mit diesen Szenarien vorausschauend umgehen, von Vorteilen bei Versicherern profitieren.

Verantwortung als Markenkern

Auf der Abendveranstaltung gab dann Thomas Storck, CFO Intersport, einen Überblick darüber, wie die Gruppe das Thema Nachhaltigkeit in seine strategische Neuausrichtung implementiert. Um der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmensgruppe gerecht zu werden, ist Nachhaltigkeit als zentraler Bestandteil innerhalb der Koordinaten Mitglieder-Bindung, Kunden-Zentrierung und gesundem Wachstum angesiedelt.

Tiefen Eindruck hinterließ der Vortrag von Antje von Dewitz, CEO des Outdoor-Ausrüsters VAUDE. Das Familienunternehmen macht vor, was alles möglich ist, wenn der Nachhaltigkeitsgedanke konsequent in allen Unternehmensbereichen gelebt wird: Klimaneutralität, Vor-Ort-Produktion, Kontrolle und Gestaltung nachhaltiger Lieferketten, direkter Kontakt zu den Produzenten, Reparaturservice für Ausrüstung und Bekleidung sowie der Verzicht auf erdölbasierte Fasern. Unter dem sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit macht sich das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv: Dazu gehören Teilzeitarbeitsmodelle auch für Führungskräfte, Kinderbetreuung am Standort und ein parkähnliches Firmengelände mit hoher Aufenthaltsqualität für die Mitarbeiter. Das alles ging nicht von heute auf morgen, zu diesem Prozess gehörten Rückschläge und „Blut, Schweiß und Tränen“, wie Antje von Dewitz sehr authentisch vermittelte. Und Glaubwürdigkeit ist für sie der Schlüssel zum Erfolg. Ein Beispiel, wie die Stärke von mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen, die den Gestaltungsspielraum haben, persönliche Wertvorstellungen und Unternehmenskultur in Übereinstimmung zu bringen vermögen.

Antje von Dewitz appellierte nochmals daran, für die Klimaziele alle Hebel in Bewegung zu setzen. „Es ging uns nicht um die Frage, können wir das erreichen, sondern stets darum, was müssen wir erreichen.“  

Unter dem Eindruck dieses Highlights startete dann der nächste Tag auf dem eigentlichen „Future Campus“. Lars Sommer, Prokurist und Nachhaltigkeitsbeauftragter des Gastgebers Intersport, gab Einblicke in die Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmensgruppe. Er vertrat die Überzeugung, das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum der Unternehmensphilosophie zu stellen. „Nachhaltigkeit ist ein Kulturthema und nicht Marketing- und Imagethema“, so Sommer. Es gelte, das Thema über den Vorstand mittels eines Nachhaltigkeitsbeauftragten im Team zu verankern.

„Gesundes Wachstum“ – Praxisbeispiel SAGAFLOR

Wie der Nachhaltigkeitsgedanke in die Praxis umgesetzt werden kann, machte der Vortrag von Sebastian Winkler vom Klimaverbund-Partner SAGAFLOR AG anschaulich. Die Verbundgruppe von Gartencentern und Heimtiermärkten mit 505 Partnern an 733 Handelsstandorten gehörte zu den „First Movern“, die schon ab November 2020 einen Klimaprofi in die erste Schulungsrunde geschickt hatten. Seitdem hat sich offenbar viel getan. Die Verbundgruppe hat das Klimaprofi-Konzept in ihre Gesamtnachhaltigkeits­strategie eingebunden, die weit über CO2-Reduktion hinausgeht. „Wir sehen das Thema Nachhaltigkeit als Partnerdienstleistung“, so Winkler. Weil zu den Dienstleistungen auch die Einrichtung und Planung von Betrieben gehört, kann das Thema Nachhaltigkeit von Beginn an mitgedacht werden. An den bestehenden Standorten ermittelt der Klimaprofi über einen Fragebogen den Ist-Zustand der Verbräuche und zeigt Einsparpotentiale auf. Ab 20 Tonnen CO2-Einsparpotential wird der Partner persönlich besucht. Der Klimaverbund hat es sich zur Aufgabe gemacht, innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit bis April 2023 insgesamt 50.000 Tonnen CO2 einzusparen. Selbstgestecktes Ziel der SAGAFLOR ist es, 5.000 Tonnen zum Gesamtziel beitragen. Stand heute, pünktlich zur Halbzeit, stehen sie bereits bei 3.430 Tonnen. Über den „Klimaprofi“ hinaus wurde bei der SAGAFLOR ein „Klimabeirat“ gegründet, deren Mitglieder sich für CO2-Reduktion, regionale Lieferketten und Naturschutz engagiert. Sie sehen sich in der Verantwortung, Lebensqualität zu verbessern. Die SAGAFLOR setzt dabei an vielen Hebeln an: Gebäudeeffizienz, Heizungsgeräteaustauch, nachhaltiges Sortiment, Reduzierung von Verpackungs- und Verbrauchsmaterial, Regenwasserspeicherung und -nutzung, Bonifizierung eines umweltfreundlichen Kaufverhaltens und von emissionsfreier Mitarbeitermobilität. Alles stehe unter dem Zeichen, des „gesunden Wachstums“, wortwörtlich wie wirtschaftlich.

Nachhaltigkeit – gekommen um zu bleiben

„Nachhaltigkeit – Geht das wieder weg?“ war dann die Frage, die über der anschließenden Podiumsdiskussion stand. Jörg Glaser, ServiCon, und Dr. Sabine Schäfer, Projektleiterin des Klimaverbunds, gingen ins Gespräch mit Hannah Witting, Bereichsleiterin beim Schulungspartner B.A.U.M., Dr. Stefan Daferner vom Bildungsanbieter Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG), Jan Schüßler von ClimatePartner und Steffen Berth, Klimaprofi und Unternehmensberater des EMV Europa-Möbel-Verbunds. Die Beteiligten des Klimaverbunds gaben Einblicke hinter die Kulissen des Projekts. Dr. Sabine Schäfer als Vertreterin des MITTELSTANDSVERBUNDES, der das Qualifizierungsprogramm „Klimaprofi“ konzipiert hat, berichtet, wie sich das Konzept fortlaufend weiterentwickelt. Inzwischen geht das Programm in die 3. Runde, insgesamt 33 Klimaprofis haben es inzwischen erfolgreich absolviert. Weil es um hochdynamische Themen gehe, so Schäfer, zum Beispiel auf dem Gebiet der gesetzlichen Änderungen, bei der Entwicklung von Investment und Taxonomie oder bezüglich technischer Neuerungen, bietet das Projekt immer wieder Nachschulungen, Refresher und Thementage an. So sind bereits Folgekurse zu den Themen Biodiversität oder Nachhaltigkeitsberichtserstattung geplant. Die Klimaprofi-Schulung ist die Grundlage, so Witting. Darauf aufbauend liegt es im Gestaltungsspielraum der Verbundgruppe, wie das Konzept umgesetzt wird. Jörg Glaser bekräftige jedoch: „Wir lassen Sie da nicht alleine.“ Man stehe mit den Klimaverbund-Partnern im ständigen Austausch, es werden Konzepte ausgetauscht und nachjustiert. Einig waren sich alle darüber, dass es noch viel mehr Klimaprofis geben müsse. Oder, wie es Jan Schüßler von ClimatePartner auf den Punkt brachte: „Übertreiben darf man im Klimaschutz immer. Je schneller, desto besser.“ Wenn das Einsparpotential quantifiziert und alle Stellschrauben gedreht wurden, bleiben am Ende oft noch unvermeidbare Emissionen. Diese könnten dann kompensiert werden. Steffen Berth, Klimaprofi und Unternehmensberater beim EMV, berichtete von der großen Nachfrage nach Klimaprofiberatungen bei seinen Gesellschaftern. Rund 50 Projekte betreue er zurzeit parallel. Bei den Möbelhäusern wäre das größte Thema zurzeit die Installation von Blockkraftheizwerken und Photovoltaik. Das Thema Nachhaltigkeit sei in seiner Verbundgruppe angekommen. Steffen Berth zieht sein Fazit: „Es muss sich was tun. Wer’s nicht begreift, wird vom Markt verschwinden.“

Wer aufbauend auf die Klimaprofi-Qualifizierung sein Know-how um sämtliche Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements erweitern will, für den hat die Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG) ein neues Weiterbildungsangebot entwickelt, wie Dr. Stefan Daferner, ADG, auf dem Podium berichtete. Das Nachhaltigkeitsportfolio umfasst Berichtspflicht, Taxonomieverordnung und ESG-Kriterien und richtet sich unter anderem auch an Führungskräfte, die für das Nachhaltigkeitsmanagement und die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien im Unternehmen verantwortlich sind. Die Klimaprofi-Qualifizierung ist im Nachhaltigkeitsportfolio enthalten. Wer den „Klimaprofi“ bereits absolviert hat, kann sich dieses Modul anerkennen lassen.

Die Diskussionsrunde verabschiedete ihre TeilnehmerInnen mit einem afrikanischen Stichwort: „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ 

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